Alles hat seine Zeit?

Gestern war Karfreitag und in den letzten Jahren hat mich immer wieder eine Tatsache daran gestört: Man tut so, als wäre man traurig.

Das passte überhaupt nicht zu meinem Drang nach Authentizität und damit überhaupt nicht zu mir. Natürlich konnte ich die Andachten genießen und habe auch viel dadurch gewonnen, aber über den Tod Jesu zu trauern, wenn ich doch weiß, dass er auferstanden ist, kam mir irgendwie komisch vor. Auch über meine Sünden zu trauern, wenn ich doch weiß, dass ich davon befreit bin, schien mir irgendwie geheuchelt.

Gestern allerdings war es anders. Als ich im Karfreitagsgottesdienst saß, fiel mir wieder ein Vers ein, den ich vor ein paar Wochen bei der Lektüre des Predigerbuches im Alten Testament gelesen hatte:

Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit.

Für mich stellte sich damit gestern die Frage, ob ich in meinem Leben das Weinen oder das Klagen tatsächlich zulasse, oder ob ich es einfach versuche auszublenden, weil es mir nicht so angenehm ist. In ähnlicher Weise ist mir das schon einmal vor ein paar Monaten begegnet, als ich mit anderen über Jakobus 4,8f gestolpert bin:

Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen.Jammert und klagt und weint; euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit.

Vielleicht ist Karfreitag genau so ein Tag, an dem wir der Trauer in uns Raum geben können, an dem wir “jammern, klagen und weinen” können.

Vielleicht können wir uns auf diese Weise über Ostern und die Auferstehung Jesus wieder mehr freuen.